16.12.09

Sommer.



Der Urlaub im Süden war immer der, an den ich mich später erinnern sollte.
Die Fahrt im Auto, über zwei Tage und keine Möglichkeit der grellen Sonne auszuweichen, die auf das schwarze Autodach prügelt und Saunaähnliche Verhältnisse erzeugt. Die Luft surrt, der Asphalt zerläuft in der Mittagshitze, genau wie ich. Die Schwester neben mir ist klein, wird bei der Wärme immer kleiner und jammert. Pipi. Hunger. Durst. Vor allem Durst. Das Pony klebt an der Stirn, die Mutter sitzt im Büstenhalter neben dem Vater, der nur in Badeshorts das Auto lenkt. Es ist so warm. Der Wohnwagen hinten dran schlenkert, wenn der Vater, müde von der langen Reise, kurz ein mal nicht Acht gibt und das Auto auf die richtige Spur leitet, sehr ruckartig. Das Radio dudelt vor sich hin, aktuelle Sommerhits, man vergisst sie schnell. Bäume fliegen vorbei, in der ausgedörrten Landschaft, alles verschwimmt mit dem fließenden Asphalt und ich bekomme Lust hineinzuspringen. Es sieht kälter und nasser aus, als es ist, das Straßenschwimmbecken. Ein Orangenwassereis wäre schön, vielleicht an der nächsten Raststädte, wenn wir über der Grenze sind, sagt die Mutter. Da müssen wir dann schon mit der anderen Währung zahlen. Ich spiele "ich sehe was, was du nicht siehst" mit der Schwester, lasse sie meistens gewinnen. Sie jammert jetzt öfter, hat keine Lust mehr, will ankommen. Das will ich auch. Aus dem Buch, das sie sich in der Bibliothek aussuchte, lese ich ihr vor. Sie schläft ein, die Wärme macht sie müde. Wenn sich doch wenigstens die Landschaft ändern würde, aber strohgelb saust alles an mir vorbei. Es ist ein heißer Sommer, so heiß war es lange nicht mehr. Ob sie das später wieder als Jahrhundertsommer bezeichnen? Es steht sicherlich etwas darüber in der Zeitung. Der Vater liest im Urlaub gerne Bild. Eigentlich liest er nicht, er blättert, rümpft die Nase, schimpft und hebt den Zeigefinger, dass es sich nie lohnt für so einen Schund Geld auszugeben und kauft sie ein paar Tage später doch wieder. Bücher sind ihm nämlich meistens zu dick. Am liebsten liegt er am Meer und sonnt sich, glänzt dabei wie eine Ölsardine, weil er sich gegen den Sonnenbrand von der Mutter ordentlich eincremen lässt. Ich bin nicht gerne in der Sonne und für Sonnenbaden habe ich nicht genug Geduld. Außerdem ist meine Haut daran gewöhnt sehr weiß zu sein, so dass sie nie braun, sondern wenn überhaupt nur rot wird. Wir haben eine Hängematte mitgenommen, die hängt der Vater zwischen zwei Pinienbäume, damit ich im Schatten baumelnd lesen kann. Die Mutter meckert, ich hänge zu viel rum. Aber dafür sind doch Hängematten da, argumentiere ich. Im Urlaub soll man das aber nicht so viel, ich könnte doch lieber an den Strand gehen, etwas schwimmen, lesen kann man auch zu Hause. Hauptsache ich mache was und liege nicht den ganzen Tag in der Hängematte. Schwimmen finde ich aber auch nur manchmal gut, wenn es früh am Morgen, oder spät am Nachmittag ist, da sind nicht mehr so viele Menschen im Meer und die ganzen Kinder weg, die so plantschen und mit Wasser spritzen. Ich fühle mich, als wäre ich nie klein gewesen, dabei war ich vor wenigen Jahren noch selber so. Man ist so alt, wie man sich fühlt. Ich lese weiter, die Mutter kocht Essen. Kochen, bei der Hitze, das ist so eine deutsche Manie, die werde ich nie verstehen. Salat reicht doch, oder Obst. Leiser Wind lässt die grünen Blätter rascheln und streichelt angenehm die feuchte Haut. Ich döse, bin zu müde zum lesen, schaukele mit dem rechten Fuß die Hängematte an und gleite sanft hin und her. An meinem Fuß spüre ich die kleine, raue Zunge des Hundes. Ich will nicht Gassi gehen, bin müde, hier gibt es doch überall Bäume, da muss man nicht vom Campingplatz, erkläre ich dem Hund. Der sitzt nur da und schaut mich an, mit den großen schwarzen Hundeaugen und legt den kleinen Kopf schief. Eigentlich wollte ich gar nicht in den Urlaub. Viel lieber wäre es mir gewesen zu Hause zu bleiben, am besten alleine, aber das fanden die Eltern nicht so gut, wegen dem Jugendamt. Wenn die das rausgefunden hätten, oder etwas passiert wäre. Für drei Wochen alleine daheim bin ich wohl noch zu jung, das finde ich aber nicht. Auf dem Campingplatz sind viele Holländer, überall gelbe Nummernschilder. Deutsche gibt es nicht so viele, vor allem keine Mädchen in meinem Alter. Ich langweile mich so sehr. Im Sommerurlaub passiert immer am wenigsten, deshalb macht es so wenig Spaß. Ich hole die Leine und ziehe das weiße Fellknäuel hinter mir her. Sogar dem Hund ist zu warm. Was für ein Unsinn es doch ist, im Sommer in den Süden zu fahren, wo es noch viel heißer ist, als ohnehin daheim schon. Und nörgeln macht auch viel mehr Spaß, wenn es eigentlich nichts zu nörgeln gibt. Ich gebe auf. Vielleicht wird es ja doch noch ein guter Urlaub.

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